Als ich Ende 2013 nach Deutschland reiste und nicht wusste, wie es fuer mich weitergehen wuerde, hatte ich mich vorher allerschwersten Herzens von meinen Ziegen getrennt. Wirklich viele Traenen habe ich ihnen nachgeweint, jedes Ziegenfoto erinnerte mich und machte mich traurig. Jetzt denke ich, dass das Leben ohne Ziegen zwar einerseits deutlich aermer, andererseits aber auch deutlich einfacher ist. Keine Sorge mehr um Ausbrecherkoeniginnen, hungrige Grosskatzen, giftige Pflanzen, Euterentzuendung, Geburtsprobleme (die letzten drei Punkt waren bei uns allerdings immer eher theoretisch, zum Glueck). Aber auch keine frische Milch mehr bzw. inzwischen nur mit mehr Aufwand und, sagen wir mal, legalen Unsicherheiten. Mehr und mehr wuchs in mir der Wunsch nach einem neuen Melktier. Ziegen waren tabu, das hatte der Herr Chef ziemlich klar gemacht, und ich war guten Willens. Schafe erschienen nur unwesentlich weniger problematisch, ueber Kamele, Wasserbueffel, Yaks muss man hier nicht nachdenken, also blieb nur die Kuh. Das Thema wurde von mir immer mal wieder strategisch klug auf den Tisch gebracht, bis eine Chefliche Genehmigung erfolgte. Dann machte ich mich auf die Suche, doch leider waren meine ersten beiden Quellen gerade nicht lieferfaehig. Ich aber ungeduldig. Als dritte Kuhquelle entdeckte ich den Hof der Lundgards, die mit ihrer deutschen Schwiegertochter zusammen farmen. Sie zuechten Canadienne Cattle, also eigentlich schlicht „kanadische Kuehe“. Die Canadiennes sind die einzige in Kanada entstandene Kuhrasse, in Quebec gebastelt aus Importen aus der Normandie, der Bretagne und der Gascogne. Das war Anfang des 17. Jahrhunderts. Gezuechtet mit dem Ziel einer milchbetonten Zwei- oder sogar Dreinutzungsrasse, die das kanadische Wetter verkraften kann und dabei relativ leichtfuttrig ist, kam die kleine Kuh Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Mode, so dass nur sehr wenige reinrassige Tiere uebrig blieben. Erhaltungsbemuehungen waren aber anscheinend erfolgreich, und die Canadienne erlebt zur Zeit eine kleine Renaissance bei den kleinen Kuhhaltern, die Milch mit hohem Butterfettgehalt wollen. Man nennt sie wohl auch die „schwarze Jerseykuh“.
Und so schaute ich mir die kleine Herde bei Lundgards neugierig an. Braun, schwarz und braunschwarz sind die typischen Farben, und weil der Hof biodynamisch orientiert ist, haben alle Kuehe Hoerner. Durchaus imponierend. Ich habe beim Melken zugeschaut, mir die besonders empfohlene Kuh Becca angesehen – aber es funkte nicht. Im Gegenteil, diese Becca war eine grosse schwarze Kuh, und egal wie nett sie mir beschrieben wurde – ich fand sie einschuechternd. Also nach Hause und weiter recherchiert und nachgedacht. Dann nochmal hingefahren. Den Rest der Herde angeschaut. Ein entzueckendes Kalb gesehen. Ja, sagte Lilli, das ist die Tochter von der Kuh, die ich dir zeigen wollte. Und so lernte ich Brontë kennen.
