Archiv der Kategorie: The Brontë Papers

Fruehling am Milchsee

(Aus der Reihe: Die letzten grossen Abenteuer)

Also erstmal ging es weiter mit Schnee. Weil sich hier in der Isolierung ein Tag an den anderen reiht, ohne dass sie sich deutlich voneinander unterscheiden, weiss ich gar nicht mehr, bis wann alles weiss war, aber: lange. Zeit fuer Spaziergaenge mit dem Hundchen. Und dann taute es, mit relativ wenig Matsche, nur sehr viel und schnellem Wasser.

Und dann versuchte ich, uns alle auf die Geburt (ausgerechnet fuer den 12.5.) von Brontës Kalb vorzubereiten, also Menschen, Baulichkeiten und die Kuh selbst. Die Kuh fand das doof, sie wollte partout nicht in den Melkstand und auch mich nicht naeher als geschaetzte 5 Meter an sich heranlassen. Beste Voraussetzungen fuer ein angenehm-persoenliches Melkverhaeltnis…

Als der Schnee ueberwiegend verschwunden war, wurde die Kuh lahm, lag viel rum, frass schlecht, und am ersten Mai machte sie mir wirklich Sorgen, so dass ich mit dem Herrn Hoe. mal naeher ran musste. Als sie aufstand, war klar: Die Geburt hatte begonnen. Prima. Nix wirklich fertig, Training gleich Null. Das Kalb, zum Glueck ein Einzelkind diesmal, kam, als wir einen Moment nicht hinguckten, und fiel gleich in eine der noch zahlreichen Pfuetzen. Der Herr Hoe., deutlich mutiger als ich, hatte allerhand Arbeit, es immer wieder aus diesen Pfuetzen zu zerren, in die es bei seinen Aufstehversuchen unweigerlich fiel. Es galt ja, dabei der Kuh auszuweichen, die ein wenig nervoes wirkte… Aber schliesslich waren die beiden im trockenen Schuppen, auf einer dicken Lage Heu, und das Kind sah einigermassen trocken aus. Wir gingen ins Bett. Am naechsten Morgen dauerte es nicht lange, bis uns auffiel, dass die Kuh nicht in Ordnung war. Zwar hatte das Kalb offensichtlich Kolostrum bekommen, aber die Kuh lag wieder rum. Und als sie schliesslich aufstand, war sie zitterig. Ich lese ja immer schlaue Buecher und so hatte ich eine Ahnung, dass es sich um das beruechtigte Milchfieber handelte. Also Tieraerztin angerufen, der die Schwere der Situation auch gleich klar war. Sie kam mit ihrem Mann, einem echten Cowboy, und ich war heilfroh, dass der mit dabei war. Er konnte naemlich sein Lasso bedienen, und so wurde die Kuh sozusagen an ihren angebauten Abschlepphaken (manchmal sind sie praktisch, diese Hoerner) zu einem Pfosten gezerrt, an dem sie einigermassen sicher befestigt werden konnte. Dort musste sie dann die bestimmt unangenehme Prozedur einer intravenoesen Kalziumgabe ueber sich ergehen lassen – nach der Devise: Nuetzt ja nix! Milchfieber hat nichts mit Fieber zu tun, im Gegenteil: eines der Anzeichen sind fallende Koerpertemperatur und kalte Ohren. Es handelt sich um einen ploetzlichen Abfall des Kalziumspiegels im Koerper, verursacht durch die ebenso ploetzlich einsetzende massive Milchproduktion, der zu Muskellaehmungen bis hin zur toedlichen Herzlaehmung fuehren kann, und zwar zackig. Laut Tieraerztin war die Kuh schon ein Stueck weit im Lala-Land, sie wirkte weggetreten, und Gereon konnte ihr noch am naechsten Tag die Ohren anfassen – normalerweise ein totales Unding! Das alles machte sie uns natuerlich nicht wirklich freundlicher gesonnen.

Da stand sie noch…

Wir hatten also: ein gehoerntes Bullenkalb, was wir uns nicht wirklich gewuenscht hatten, eine kranke und unkooperative Kuh, immer noch Pfuetzen, kein richtiges Dach ueberm Melkstand, aber die unbedingte Pflicht zu melken, dabei nicht zuviel, aber auch nicht zuwenig, um einerseits nicht die Milchproduktion noch weiter anzuregen, andererseits aber eine Euterentzuendung zu verhindern. Koennt ihr euch vorstellen, wie ich schon wieder unueberwindbare Berge vor mir sah? Da aber strahlt dann der Herr Hoe. wie Persil am Himmel. Nerven wie Drahtseile, Toleranz gegenueber Schwierigkeiten ohne Ende, eigentlich ein Faible fuer die Kuh, und trotz viel Arbeit in der Firma eine erstaunliche zeitliche Flexibilitaet. Meine wiederholten und in den Momenten durchaus ernstgemeinten Rufe nach dem Gewehr und sofortiger Exekution von Kuh und Kalb (ich war ehrlich fertig mit den Nerven, so richtig) ignorierte er in der bewaehrten Art einfach, nur einmal sagte er: Lass es uns noch ein paar Mal versuchen…

Und jetzt:

Mutter und Kind wohlauf. Mutter (fast) kooperativ. Und das beste Problem: 10-15 Liter Milch am Tag, und zwar MIT SAHNE! Letztes Jahr, ich hatte das glaube ich erwaehnt, beinhaltete meine Milchquote nur die Benutzung des halben Euters, ich bekam Magermilch und praktisch keine Sahne. Und nur so drei, vier Liter Milch ueberhaupt. Jetzt ist irgendwas anders, warum genau, weiss ich nicht. Jedenfalls schwimmen wir in Milch. Letztes Jahr reichten noch zwei, drei Einkochglaeser mit knapp 1.5 Litern Inhalt fuer das Morgenmelken aus. Inwischen bin ich zu Gallon-Jars, also Glaesern mit 4 Litern Inhalt gewechselt, und davon brauche ich morgens so etwa zweieinhalb, abends nochmal eines. Jeden Tag gibt es frischen Kefir, Sahne, leckerste Vollstmilch in Tee und Kaffee und natuerlich jetzt alle moeglichen anderen Milchprodukte: Joghurt, Quark und Frischkaese, dann sind Feta und Camembert in der Reife, Mozzaballs (na ja, da muss ich noch ueben), und Butter, natuerlich gibt es Butter. Und trotzdem hab ich jede Menge Milch uebrig, so dass auch die Huehner und das Schwein was abbekommen. Der geschaetzte Preis einer Tasse Kaffee mit ordentlich Milch drin sinkt taeglich, ich vermute, angefangen haben wir mit etwa $50 pro Schuss Milch, aber jetzt sind es bestimmt nur noch so $47,90 vielleicht…

Es wird also nie langweilig, wie auch? Im Garten war ich noch fast gar nicht, und im Moment regnet es, da hab ich eine prima Ausrede. Und auch sonst kriege ich wenig getan, ausser meiner Milchwirtschaft. Aber bald, so denke ich, kann ich auf einmal taeglich Melken umsteigen, und dann duerfte es etwas ueberschaubarer werden.

Es bleibt kaum Zeit, um ueber Corona-Probleme nachzudenken, und das fehlt mir kaum. Ganz vielleicht machen wir den Markt wieder auf im Juni, aber das steht noch in den Sternen.

Bei einem ersten schneefreien Spaziergang sahen wir die Anzeichen, dass unsere Mitbewohner ebenfalls alle wieder unterwegs sind.

Dieses Baerentier hatte sich bis ueber den Saegeplatz naeher an den Eselzaun gewagt, aber dann ist es wohl wieder abgebogen. Besser ist das.

Ich wuensche allerseits einen schoenen Fruehsommer, und jede Menge Regen, wo er noetig ist. Ich braeuchte jetzt erstmal keinen mehr, danke sehr.

Alles ist relativ

Ich bin relativ faul. Das liegt aber daran, dass ich die ELEKTRIKER IM HAUS habe. Es ist fast nicht zu glauben, aber in sehr absehbarer Zeit, etwa einer Woche, werden die vielen verworrenen Verlaengerungskabel aus meinem Leben verschwunden sein, es wird Lichtschalter geben und Steckdosen. Alles im Industrielook, also auf „Putz“ und in Stahl, aber das ist mir nur recht. Alles ist gut sichtbar und tut nicht so, als ob es etwas anderes waere.

Weil das Haus klein ist und total voller Kram – wer haette das gedacht? – bin ich hauptsaechlich damit beschaeftigt, den beiden jungen Maennern, Chuck und Cole, aus dem Weg zu gehen bzw. fuer sie Schneisen zu schlagen, Betten zu ruecken, Krempel von A nach B zu schubsen, damit sie ihre Arbeit tun koennen.

Fabrik-Stil oder so aehnlich. Schalter in der Entstehung.

Und wenn ich schon sonst nix Sinnvolles tun kann ausser natuerlich die Tiere zu versorgen, erzaehl ich euch noch mal vom Winter. Der ist naemlich gerade so wirklich voll zugange. Der Wetterbericht hatte schon letztes Wochenende mit sehr niedrigen Temperaturen gedroht, und diesmal lagen die Wetterfroesche richtig. Gestern morgen hatten wir uns bis auf -40 heruntergearbeitet. Das war dann natuerlich auch der Moment, wo der Generator in die Knie ging. Und die Elektriker kommen wollten. Der Chef war nicht amuesiert, fand, ich haette ihnen absagen muessen. Ich habe sie naemlich, getreu meinem Motto fuer dieses Jahr „Selbst ist die Frau – jetzt erst recht!“, eigenmaechtig bestellt.

Also, Generator tot, demnach Auto nicht startbar, demnach Chef nicht zur Arbeit, demnach vier Menschen im Haus, aber praktisch kein Strom – das ist eine interessante Situation. Natuerlich haben Handwerker heutzutage alle Akkuschrauber, Akkubohrer, Akku-Alles. Und Kopflampen. Also kein Problem fuer die Jungs. Und natuerlich fingen sie IM Haus an und nicht mit den Zuleitungen von draussen. Als dann die Sonne kam und wunderbar lud, trotz minus 36 oder so, gab sie uns freundlicherweise genuegend Strom, dass der Chef sein Auto vorwaermen und dann abduesen konnte. Zum Glueck hatte der Generator, wie sich herausstellte, nur einen kleinen Schluckauf und laeuft jetzt wieder. In solchen Situationen waechst wieder meine Bewunderung fuer die Menschen, die in diesem kalten Winterland ohne all unsere als selbstverstaendlich hingenommenen Annehmlichkeiten gelebt haben. Da muss man sich schon wirklich was einfallen lassen.

Unsere Tiere kommen mit dem Wetter erstaunlich gut klar. Alle haben permanent Schnee auf dem Ruecken, was uns sagt, dass sie wenig Waerme abgeben – und das ist gut so. Schnee isoliert auch. Einen betraechtlichen Teil meines Tages verbringe ich damit, fuer alle aus Schnee Wasser zu produzieren, vorzugsweise handwarm. Von der Kuh kriege ich immer aergerliches Kopfschuetteln, wenn die Temperatur nicht korrekt ist, die Esel und Lamas sind nicht pingelig und trinken alles, Hauptsache fluessig. Letztere fressen auch Schnee, aber ich denke mir, dass es viel zusaetzliche Energie kostet, auch noch Schnee im Magen zu schmelzen, also goenne ich ihnen diesen kleinen Luxus.

Und heute, nach den -40 von gestern, die auch noch von einem kleinen Windchen begleitet waren, kamen uns die -32 am Morgen relativ warm vor. Das zum Thema Relativitaet. Im Moment ist es -25, die Kuh liegt draussen am Heuballen, und alles ist – relativ – entspannt.

Die Kuh hat jetzt ganz frei. Martina das Kalb wanderte kurz vor Weihnachten Richtung Truhe, und ich fing an, die Kuh wieder zu melken. Der Anfang war schrecklich, sie wollte sich an nichts Gutes erinnern, sondern nur wieder Krawall machen. Aber ich war ja vorgewarnt, und so hielt ich durch, und nach zwei, drei Tagen bekam ich endlich die lang ersehnte richtige, echte Milch mit Sahne. Was fuer ein Spass und Genuss, waere da nicht der Wetterbericht mit seinen Drohungen gewesen.

Die Fotos habe ich schon bei -22 gemacht, und ich habe auch noch bis -30 gemolken, aber dann wurde die Kuh wieder grantelig, meine Finger, vor allem die kleinen, immer kaelter, die Milch fing mir im Eimer an zu frieren – und dann war auch gut. Es gibt Grenzen. Ich muss nicht mehr alles versuchen. Und in der kurzen Melkzeit hatte ich immer genuegend Milch, um noch einige Liter fuer uns einfrieren zu koennen. Die werden wir jetzt noch zu schaetzen wissen, und dann muessen wir bis Mai wieder anderweitig einkaufen, das geht auch. Und die Kuh nimmt in der Zeit hoffentlich ein kleines bisschen zu. Sie ist immer noch klapperig, aber mehr Futter brachte nur mehr Milch, wie das eine gute Milchkuh so regelt.

Die Tage sind jetzt schon spuerbar laenger, und wenn die Sonne scheint, ist Winter – auch mit Kaelte – immer noch mein liebstes.

Jetzt geh ich mal wieder Holz nachfuellen, drei Oefen, zwei im Haus, einer im Hof, wollen gefuettert werden.

Ach, und weil das Oberbergische jetzt ja „Wolfserwartungsland“ ist, kriegen die oberbergischen unter meinen potentiellen Lesern hier schon mal ein Bildchen, damit sie wissen, worauf sie achten muessen. Das war unser Weihnachtswolf, liess sich Heiligabend ablichten.

Weihnachts-Wolf

Einerseits: Winterschlaf…

Wie es scheint, ist der Winter jetzt wirklich da. Heute Morgen zeigte das Thermometer -21 Grad, und schon gestern Abend hatte ich den zweiten kleinen Ofen angefeuert. Ein Blick aus dem Fenster aber zeigt mir mein Lieblingswetter, ihr wisst schon: Blitzeblauer Himmel, strahlender Sonnenschein, glitzernder Schnee. (Haha, das war noch im November, dann kam mal wieder was dazwischen, inzwischen ist Dezember und heute ist es grau, aber kein Problem.) Warmes Fruehstueck gibt es trotzdem, Haferschrot mit Wasser, Milch und eingemachten Birnen und Pflaumen. „Ausnahmsweise“ mal ein bisschen angesetzt unten im Topf…

Doch erstmal zurueck zum Oktober.

Kurz nachdem ich den kleinen Hund unter dem Weißdorn beerdigt hatte, drohte sich der Winter schon wieder an, und zum Glück schaffte Schreiner Jeremy es noch früh genug, die porch, den Vorflur oder wie ich das nennen soll, einzukasteln.

Sogar ein Katzenklaeppchen gibt es, wie ihr seht. Ist aber etwas schwergaengig, und unsere verwoehnten Katzen erwarten ueberwiegend dass jemand (ich natuerlich) es bitte sehr gefaelligst fuer sie oeffnet. Wenn sie denn ueberhaupt ins Wetter wollen, meistens bleiben sie jetzt einfach im Haus und lassen sich bedienen.

Ein bisschen winter-weihnachtliche Stimmung kann ich mir nicht verkneifen.

Noch im Oktober fuhr ich zu einem lange ersehnten Kaesekurs in die Gegend von Edmonton. Was fuer ein Erlebnis! David Asher ist ein rebellischer Kaese-Macher, der aufgrund seiner Erfahrungen der Ansicht ist, dass Milch sowieso Kaese werden will (naemlich im Magen des Kalbes) und dass sie demnach alles, was zur Kaeseherstellung erforderlich ist, schon mehr oder weniger in sich hat. Also braucht niemand industriell (und teilweise fragwuerdig) hergestellte Kaesekulturen, etwas, was mich bei meinen bisherigen Versuchen auch schon immer gegraetzt hatte. Man laesst die Milch natuerlich saeuern, und los geht es. Braucht man nur noch Lab, das sinnvollerweise von einem Kaelber- oder Zickleinmagen gewonnen wird (da wird es dann fuer die Laktovegetarier schwierig, aber lasst euch gesagt sein: Mikrolab oder wie es heisst ist auch nicht ohne). Es war eine spannende, hirn-beanspruchende und sehr leckere Woche, die ich – als Tuepfelchen auf dem i – auf dem Hof verbringen durfte, der die Milch lieferte. Ich hatte Gelegenheit, Ziegen und Kuehe zu melken, auch nach Kursende noch mit David zu reden und ueberhaupt spannende Menschen und Konzepte kennenzulernen. Obwohl ich so eigenbroetlerisch geworden bin, tut sowas einmal, vielleicht sogar zweimal im Jahr richtig gut.

Hier zuhause klappt nix davon – zu meinem Graus. Der wunderbare Kefir, von dem ich ein Stueckchen mit nach Hause nehmen durfte, ist mir nach kleiner Ueberhitzung *huestel* verstorben, und schon vorher schmeckte alles, was er produzierte, wie Milchwein, alkoholisch. Und der Joghurt ist auch hinne – sehr tragisch. So bleibt mir also im Moment nur der Blick auf meine schoene Kuh, die leider zu duenn zum Melken ist, die mir aber hoffentlich ab naechsten Mai einen Neustart ermoeglicht.

Kaum war November, kam auch schon deutscher Besuch, die beiden Forstleute Luise und Ruediger, die 14 Tage bei uns blieben. Dafuer hatte ich unter Druck den Schuhkarton, das Gaestezimmer, einigermassen bewohnbar gemacht, aber es gab Tuecken und Ausfaelle, so war z.B. der Schornsteinausgang nicht dicht, und es kam Wasser durchs Dach herein. Ganz davon abgesehen, wurde es ausserdem noch richtig kalt – aber die beiden waren tapfer und hart im Nehmen, mein Angebot, doch im Haus zu naechtigen, lehnten sie mutig ab. Nach Abdichtung des Schornsteins aber, Einbau eines besseren Suedfensters (das usselige verberge ich geschickt hinterm Vorhang…) und Verbesserung der Tueren steht das Zimmer (mit eigenem „Bad“) dann im Fruehjahr mutigen Gaesten zur Verfuegung.

Es gab viel Waldarbeit, inklusive erfolgreicher Hirschjagd, ein Schwein wurde geschlachtet, vorher schon einige unserer vielen Puten, und jetzt sind die Truhen voll mit Wurst, Schinken, Gulasch, Braten und Hackfleisch. Nur unsere Kartoffelbestaende neigen sich schon fast ihrem Ende zu. Sehr schade.

Im Wald macht der Elch Yoga.

Zwar ist die Arbeit ums Haus deutlich reduziert, aber fuer das, was getan werden muss, gibt es viel weniger Zeit. Die Sonne geht erst um 9 auf und ist um halb fuenf schon wieder weg, und das wird ja noch ein bisschen weniger. Fuer meinen Schlaf ist das ungemein foerderlich, und ich verstehe all die Tiere, die Winterschlaf oder Halb-Winterschlaf halten. Es ist die Zeit, in der ich mehr lese, kostenlos meinen Plaenen und Projekten nachhaenge, viel mehr stricke und einfach im ganzen entspannter lebe. Weil ich sowieso ueberwiegend nur planen, nichts ausfuehren kann, kommt auch kein Frust auf, wenn mal wieder was nicht passiert. Im Winter passiert einfach grundsaetzlich nicht viel, und das ist gut so! Ausser vielleicht, ganz vielleicht… koennte ich mal meine Speisekammer zum x-ten Mal umbauen… oder oben eine Sitzecke basteln… oder den Schuhkarton weiter vervollstaendigen… mehr stricken… spinnen… filzen…

Oh, und jetzt fallen draussen Floeckchen – vielleicht tu ich auch einfach ueberhaupt nix und gucke mir das Wetter von drinnen an. Eine schoene Vorweihnachtszeit wuensche ich!

Es regnet nicht, aber ich bin faul

Oder so aehnlich… Ein spaetes Mittag- oder fruehes Abendessen macht mich schlaefrig, ausserdem hab ich Ohrenschmerzen, wie ueberfluessig ist das denn??!! Um mich abzulenken, erzaehle ich euch noch ein bisschen. Zum Beispiel von Martina. Die heisst so, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach (95+%) ein so genannter Freemartin ist. Das heisst auch im Deutschen so, hab ich nachgeguckt, merkwuerdig. Ein Freemartin entsteht, wenn verschiedengeschlechtliche Zwillinge in der Kuh (und nicht nur in Kuehen, aber dort am haeufigsten) heranwachsen. Irgendwann waehrend der Tragzeit verbinden sich irgendwelche Blutkreislaeufe (so genau weiss ich das schon wieder nicht mehr), und das Buebchen gibt seine Hormone an das Maedel weiter – und gewinnt! Je frueher die Verbindungen zwischen den Embryonen entsteht, desto groesser die Chance auf ein nur aeusserlich maedchenhaftes Kalb. Innendrin ist alles durcheinander, sozusagen, populaerwissenschaftlich erklaert, und das Kalb ist maskulinisiert und unfruchtbar. Wenn ich von Martinas Benehmen schliessen sollte, dann waere ich davon zu 100 Prozent ueberzeugt. Sie ist ein wildes Geraet! Ihr Bruder Red Bull ist die reinste Lusche dagegen. Zaeune zum Beispiel, durch die sie irgendwie durchpasst, existieren einfach ueberhaupt nicht. Der Herr Hoe aber hofft immer noch, dass sie sich als Vollblut-Maedchen entpuppt.

Martina – als Kalb getarnte Ziege

Andererseits ist es irgendwie sehr niedlich, dass die beiden sich abends, so gegen 19 Uhr, haeufig selbst und freiwillig zu Bett begeben. Auch darueber hatte ich gelesen, und auch das hielt ich fuer uebertrieben. Ich bin aber noch ein bisschen lernfaehig, glaube ich.

Gemuetlich im Bett
Beim kleinen Red Bull sieht man schon die Hoernchen

Morgens warten sie fein, bis ich mit dem Melken fertig bin, dann lasse ich sie raus, und sie diskutieren ein bisschen mit ihrer Mutter. Die „Vereinbarung“ ist naemlich, dass ich die hinteren beiden Euter-Viertel leeren darf (so gut ich kann…), und die beiden die vordere Haelfte zwischen sich aufteilen. Hinten finden sie aber besser, und dann wird Mutter Brontë ziemlich mistig und tritt, bis alle richtig stehen. Trotzdem bin ich natuerlich froh, dass die beiden das Nachmelken uebernehmen und ich mir ueber die Mastitis-Gefahr wirklich keine Sorgen machen muss. Und so sieht es dann aus, wenn die Profis am Werk sind: Schaum, Schaum, Schaum…

Milchschaeumer!

Bei so viel Engagement auf allen Seiten gibt es dann jetzt auch mehr Kaese. Ich habe schon ein paar Versuche mit Quark hinter mir, keiner war wirklich befriedigend. Deswegen nenne ich das jetzt Frischkaese, und dann geht es. Mal pur mit Salz, mal auch – bisher Herrn Hoe’s liebste Variante – mit Schnittlauch. Und heute dann zum ersten Mal mit Kraeutermantel und eingelegt in Olivenoel. Da bin ich gespannt, wie das wird.

Shankleesh nach David Asher, The Art of Natural Cheesemaking

Kaese gibt es auch deswegen relativ viel, weil es keine Sahne gibt! Jedenfalls bis jetzt nicht in nennenswerten Mengen. Das ist eine kleine bis mittlere Enttaeuschung, den genauen Grund weiss ich noch nicht, doch wenn es an der Rasse liegt (und das koennte sehr gut sein), dann hat die Butter schlechte Karten bzw. wird aufwaendig in der Herstellung. Ich werde bei naechster Gelegenheit meine antike Zentrifuge ausgraben und gruendlich reinigen, und dann wollen wir mal sehen, ob da nicht doch noch was geht. Da hatte ich mich so richtig dran gewoehnt, an all die schoene Jersey-Sahne…

Auch der Joghurt ist nicht wie vorher, leider. Schmeckt prima, ist aber waessriger, sehr schade. Na, vielleicht gibt es demnaechst Fotos von der Antiquitaet, wenn ich sie denn sauber und ans Laufen bekomme. Und dann vielleicht auch wieder Sahnejoghurt… lecker!

Es regnet – Zeit fuer eine Pause

Es regnet ganz ordentlich – ein Segen fuer die Landwirtschaft, und nicht nur fuer die. Um uns herum brannte und brennt es schon wieder heftig. Das windige, trockene und sonnige Wetter foerdert die Braende natuerlich, und an manchen Tagen war es super-rauchig und sehr unangenehm. Der Garten staubte fast, und die Bauern klagten – eine bedrohliche Trockenheit.

Sonnenaufgang in Rauchwolken

Aber jetzt ist erstmal Regen angesagt, jedenfalls bei uns und jedenfalls fuer etwa eine Woche immer mal wieder. Hugo hat sich gerade noch mal gewaelzt, bevor vielleicht der wichtige Waelzplatz zum Schlammplatz wird. Es ist gerade erst 8 Uhr durch, aber ich habe mir schon eine Pause verdient, finde ich. Kuh ist gemolken. Lilli gefuettert. Steuern sind erledigt (gestern), so gut wie. Markt ist gerade mal ruhig. Honig ist abgefuellt.

Das ist Weidenhonig – ein Schaetzchen-Honig! Etwa 25 Kilo konnten wir ernten, und gestern habe ich ihn – Premiere – in ueberall erhaeltliche Standardeinmachglaeser abgefuellt. Ich wuerde so gern von den scheusslichen Plastikbehaeltern weg kommen, aber ob die Kundschaft das akzeptiert, wissen wir noch nicht. Einmachglaeser koennten ein Weg sein, denn hier auf dem Land werden sie nach wie vor haeufig eingesetzt, sind stabil und irgendwie auch nett.

Aber eigentlich wollte ich noch ein bisschen von der Kuh erzaehlen. Das letzte grosse Projekt in meinem Leben, so war der Plan. Und die Kuh tat erstmal alles, um es auch zu einem grossen Abenteuer zu machen. Okay, der Gatte half auch, in seiner bewaehrten Art und mit seinem ganz eigenen Timing. Der Melkstand naemlich liess auf sich warten, und so ging es mir zwar im Paddock mit der Kuh besser, aber ohne Melkstand keine Annaeherung, ohne Annaeherung kein Melken, ist ja irgendwie logisch. Am 22. April, Ostermontag wohl, kam die Kuh dann zum ersten Mal in den nicht ganz perfekten Stand. Wie man sieht, gab es keine Befestigungsmoeglichkeit fuer Brontë und auch nichts fuer die Futterschale. Aber immerhin liess sie sich anfassen und trat nicht um sich.

Der Melkstand wurde nach und nach verbessert, die Kuh betrat ihn relativ willig und verliess ihn im Rueckwaertsgang, gar kein Problem fuer sie. Aber immer noch gab es keine Befestigung. Und wenn das Futter alle war, legte sie diesen Rueckwaertsgang zackig ein und war weg. Melken waere spannend gewesen. Und ich hatte die Nerven schon wieder etwas blanker. Anfassen beim Fressen jedoch war so gar nicht schwierig, kein Zucken und Treten, das war ihr alles schnurzpiepe, so lange da was Leckeres vorne war.

Einen Monat lang uebten wir, und dann kamen die beiden. Und der Melkstand hatte ein „Headgate“ – wie koennte das auf Deutsch heissen? Und die erste Milch kam ins Glas.

Wie man am Gesichtsausdruck der Kuh erkennen kann, war es aber eher ein Waffenstillstand, mit dem wir arbeiteten. Die Kaelber mischten sich beim Melken ein, die Kuh war unleidlich, der Herr Chef musste jedes Mal helfen, und eines Tages trat sie mit Schwung gegen den Eimer, aus purer Frackigkeit, so schien mir (vom regelmaessigen Pinkeln und Kacken im Melkstand will ich so gut wie schweigen) und ich klatschte ihr zornig gegen das Bein – und sie trat zurueck und traf mich und ich trat zurueck und traf sie – und ich hatte sie noch kaum beruehrt, da trat sie wieder zurueck und traf mich mit Schmackes! Tret-Wettbewerb verloren, also ich. Natuerlich war mir sofort klar, dass ich mich nicht haette hinreissen lassen sollen. Aber was willste machen? Ich neige in solchen Situationen zu spontanen Ausbruechen, die haben noch nie geholfen, das ist mir klar, sie kommen aber vor. Ich wollte die Kuh schon wieder essen, und zwar sofort. Der schoene blau-bunte Fleck kam erst am naechsten Tag so richtig… Was ich jetzt weiss: Kuehe koennen, genau wie ich gelesen hatte, aber fuer uebertrieben hielt, genial gezielt und irre schnell treten, nach hinten, nach vorne UND zur Seite. Eine Reaktionszeit wie ein Jet-Pilot, ehrlich! Bewundernswert, wenn ich nicht das Ziel gewesen waere. Was tun? Die naechsten paar Melkversuche waren unbefriedigend, weil ich immer Angst hatte, die Kuh keinen Spass und auch keinen Druck, denn die Kaelber behielten das Euter einigermassen im Griff. Dann aber hatte ich zweimal Glueck: Zum einen beriet mich Sam, unser Lieferant von allen Tieren, Solaranlagen und guten Ratschlaegen fuer beides. Sam war mal Schweizer, hat praktisch sein ganzes Leben lang gemolken und behandelt seine Tiere sehr ordentlich. Auf den konnte ich also hoeren. Er riet mir, auf jeden Fall die Kaelber ueber Nacht wegzusperren und dann morgens beim Melken es der Kuh so nett wie moeglich zu machen. Alles mit Liebigkeit, sozusagen.

Und dann kam Casci, die Hufschmiedin, die praktischerweise in einem Milchbetrieb arbeitet und eine Herausforderung liebt. Fuer sie parkte ich die Kuh nochmal im Melkstand, und dann zeigte Casci mir, was sie machen wuerde. Seil um’s Hinterbein, mit ein bisschen Spiel nach hinten weg an einem noch einzuschlagenden Pfosten festbinden. Schwuppi-didu – die Kuh steht bequem, aber Treten nach vorne und zur Seite ist praktisch unterbunden! Ich hatte auch davon in Foren gelesen, aber wie das in der Praxis aussah, hatte ich mir nicht vorstellen koennen. Casci „wuchtete“ die Kuh durch die Gegend, schob sie in die richtige Position, fixierte das Hinterbein, und die Kuh liess alles mit sich machen, und wir kraulten sie und fuetterten sie und alles war ruhig und sah einfach aus. Ich war begeistert.

Das Kaelber-Wegsperren ging aehnlich unproblematisch, wer haette das gedacht? Eine Nacht wurde seitens der Kuh ein bisschen gemeckert, aber seitdem fluppt es. Ich kann das alles alleine, und ich habe wieder Spass am grossen Projekt. Was fuer ein Segen!

Was ich aber anmerken muss: Meine heiss geliebten Ziegen wurden ja immer als extra destruktiv bezeichnet, aber ich sag’s euch: Kuehe koennen da auch was. Vor allem natuerlich mit Hoernern. Ich glaube, Hoerner sind Waffen, aber vor allem auch Werkzeuge, und wer die hat, der setzt sie ein, logisch. Und so wird montiert und umgeworfen und generell gern mal was durcheinandergebracht, und sich auch mal dekoriert…

Ich fuer meinen Teil fruehstuecke jetzt mal Brot mit Quark und Honig. Und mach den Ofen an, das hat sowas Gemuetliches… Die Esel stehen freiwillig im Regen – es muss wirklich noetig sein!

Nachholbedarf

Eben sehe ich, dass oben auf dem Blog immer noch Winter ist. Dass muss sich jetzt mal aendern. Schliesslich ist so gut wie Sommer, jedenfalls bei uns. Viel ist passiert, seit Ludwig uns verlassen hat. Und ich bin zu nix gekommen. Doch so gaaaanz langsam habe ich das Gefuehl, ich bekomme einen kleinen Griff an die Dinge.

Zum einen bin ich nun wieder die „Managerin“ des Farmers‘ Markets. Das fand ich mehr oder weniger zufaellig auf Facebook heraus – mir hatte man nicht Bescheid gesagt. Seitdem hat sich diese Uebernahme zu einem Halbtagsjob entwickelt, und das kann eigentlich so nicht bleiben. Nachdem aber der Markt in den letzten beiden Jahren sehr heruntergekommen war, gab es wirklich richtig viel Arbeit, um alles wieder in Gang zu bringen. Und jetzt bin ich ein bisschen bis ziemlich stolz, dass die ersten Maerkte in diesem Jahr bereits sehr erfolgreich waren und deutlich gestiegene Haendler- und Besucherzahlen vorweisen koennen. Das Marktweib in mir frohlockt…

Zum anderen gibt es Brontë. Und das ist mal eine ganz neue und andere Nummer.

Brontë, die Kampfkuh

Den Beginn unserer anspruchsvollen Beziehung hatte ich schon im November aufgeschrieben, wollte aber keinesfalls an die Oeffentlichkeit damit, weil alles so sehr unklar schien. Ist es auch teilweise immer noch, aber ich traue mich jetzt, euch von der Kuh zu erzaehlen. Ob sie bleibt – wir wissen es immer noch nicht.

Hier also zwei historische Brontë Papers:

Unsere erste Begegnung

Brontë kommt an

Ab da war alles anders. Ich hatte mich mal wieder ueberschaetzt. 10 Jahre lang Ziegen gemolken, mit Hoernern, so dachte ich mir, was soll da schon gross sein?? Hahahaha – wie naiv man doch auch in meinem Alter immer wieder sein kann.

Brontë naemlich fand alles doof, vor allem uns. An ein einfaches Melken war ueberhaupt nicht zu denken. Sie schuettelte ihre huebschen Hoerner in meine Richtung, wann immer sie die Gelegenheit hatte, und machte mir damit so richtig Angst. Natuerlich spuerte sie ihren Einfluss und nutzte ihn dann erst recht aus. Den ganzen Winter ging das so: Ich traute mich kaum in den Paddock, Brontë lachte sich – glaube ich – heimlich ins Huefchen. Natuerlich liess sie auch den kleinen Hackepeter absolut nicht an sich heran – was habe ich mich geaergert, dass ich nicht ihr schoenes Kuhkalb gekauft hatte. Ich zerdrueckte mir mehr als eine Traene, las in Foren und Buechern, dass ich meine innere Tigerin darstellen muesse, auf keinen Fall mein inneres Kaetzchen – aber das ist alles leicht gesagt. Ich hatte Schiss, und zwar so richtig. Und ueberlegte schon heftig an Alternativen: Essen? Verkaufen? Verschenken? Zurueckgeben? Dabei drohte ich dem Gatten immer mit Ziegen, die dann statt Kuh wieder einziehen wuerden. Der rollte natuerlich mit den Augen, denn wenn es etwas gibt, was er nicht mehr haben will, sind das Ziegen. Komischer Kerl 😉

Eines Tages, als ich so richtig verzweifelt war, weil die Kuh mal wieder wie ein Dilldoeppchen um mich herumgesprungen war und ich mich nie wieder in den Paddock trauen wollte, ging der Gatte mit mir zusammen rein, und tatsaechlich, eigentlich war sie gar nicht mistig. Sie stand ganz still, guckte uns ruhig an, war auch ziemlich nah, und mit einem zuversichtlichen Menschen an meiner Seite war es gar nicht schwierig. Seitdem ist es besser geworden. Ich nehme gern meinen pinken Kuhstock mit, und ganz sicher fuehle ich mich mit meiner dreifach gehoernten Heugabel, die ich ja sowieso beim Fuettern immer bei mir habe. Mit drei Hoernern ist man die Koenigin, das kann ich euch sagen! Natuerlich passe ich auf wie ein Luchs, drehe ihr nicht den Ruecken laenger zu, aber sie benimmt sich ordentlich, geht mir aus dem Weg, wenn ich das sage und ueberhaupt – Fortschritte fanden statt!

Sogar mit dem Hackepeter ging es dann besser, und die beiden betrieben soziale Fellpflege.

Und jetzt ist alles nochmal ganz anders, denn, wie das mit Milchkuehen so ist, sie brauchen ein Kalb, um Milch zu geben. Und das war fuer Mai ausgerechnet, irgendwann. Puenktlich zu Muttertag zeigte sich Brontë besinnlich, und sicherheitshalber ging ich mitten in der Nacht noch mal nach ihr gucken. Und fand: Zwillinge!

Martina
Red Bull

Fuer heute muss euch das reichen, denn natuerlich habe ich „eigentlich“ gar keine Zeit. Die Hufschmiedin kommt gleich, um der Eselhorde Pedikueren zu verpassen, und der Garten – ach der Garten, das ist auch noch so eine Geschichte. Bisher nur Kartoffeln. Demnaechst – vielleicht – mehr, Geschichten und Garten. Zur Strafe fuer das Schreiben habe ich mir gerade prompt auch schon wieder mal mein Fruehstueck karamelisiert – so ein Mist!

Und ploetzlich war sie da

Mit den Verkaeufern der Kuh hatte ich besprochen, dass ich sie mit ihrem Kuhkalb kaufen und erst im naechsten Fruehjahr geliefert bekommen wollte. Das haette mich zwar ab November sozusagen Stallmiete (ohne Stall) gekostet, schien mir aber die sinnvolle Loesung, weil hier noch nichts vorbereitet war. Bei laengerem Nachdenken kam ich dann zu dem Entschluss, sie doch sofort nach positiver Traechtigkeitsuntersuchung und nicht mit ihrem eigenen Kalb, sondern mit einem fremden Stierkalb zu uebernehmen. Denn: ohne ein bisschen Druck passiert hier nix. Fuer mich bedeutete das, ich musste zuegig mehr Stahlpanels kaufen, um die Eseldamen und Hugo weiterhin sicher, aber getrennt unterbringen zu koennen, waehrend Brontë und Kalb im Paddock direkt vorm Haus sein sollten, damit wir uns miteinander vertraut machen koennten. Brontë war diesen Sommer fuer etwa drei Monate gemolken worden, angelernt sozusagen. Mein Plan war, einen provisorischen Melkstand zu bauen (bis die vom Chef zugesagte „Kuhanlage“ in der neuen Remise fertig waere) und die Kuh womoeglich doch noch ein bisschen zu melken. Lilli ging davon aus, dass die Kuh auch das fremde Kalb, mit ein bisschen Ueberredung, noch trinken lassen wuerde.

Aufgeregt war ich schon! Meinen Teil, also die Stahlpanels und den Bau der neuen Paddocks, hatte ich zuegig erledigt. Das Dach auf dem voruebergehenden Kuhschuppen fehlt immer noch. Von Lilli kam die Nachricht, dass Brontë traechtig sei und am 19.11. angeliefert wuerde. Meine Aufregung wuchs. Dann kam ein Anruf von Peter, dem Farmer, dass er aus terminlichen Gruenden am liebsten schon am 17. kaeme, ob das wohl moeglich sei. Es war. Ich war bereit und dachte schon ueber Melkeimer, Schemel, und derlei schoene Dinge nach.

Der 17. kam, und mit ihm glatte Strassen und ein bisschen Schnee. Aber Peter und sein italienischer Praktikant Angelo tauchten puenktlich mit dem dicken Truck und dem ueblichen Riesen-Viehanhaenger vorm Tor auf. Rangieren koennen diese Leute ja alle – Hut ab! Rueckwaerts zirkelte er bis weit in die Einfahrt, alle Fluchtwege waren versperrt und dann wurden die Anhaengertueren geoeffnet. Waehrend wir uns unterhielten, stiegen Brontë und das Kind (das ich vorlaeufig mal Hackepeter nenne *huestel*) vorsichtig aus. Vor lauter Aufregung habe ich kein einziges Foto gemacht.

Auftritt: Die Kuh

Als ich Ende 2013 nach Deutschland reiste und nicht wusste, wie es fuer mich weitergehen wuerde, hatte ich mich vorher allerschwersten Herzens von meinen Ziegen getrennt. Wirklich viele Traenen habe ich ihnen nachgeweint, jedes Ziegenfoto erinnerte mich und machte  mich traurig. Jetzt denke ich, dass das Leben ohne Ziegen zwar einerseits deutlich aermer, andererseits aber auch deutlich einfacher ist. Keine Sorge mehr um Ausbrecherkoeniginnen, hungrige Grosskatzen, giftige Pflanzen, Euterentzuendung, Geburtsprobleme (die letzten drei Punkt waren bei uns allerdings immer eher theoretisch, zum Glueck). Aber auch keine frische Milch mehr bzw. inzwischen nur mit mehr Aufwand und, sagen wir mal, legalen Unsicherheiten. Mehr und  mehr wuchs in mir der Wunsch nach einem neuen Melktier. Ziegen waren tabu, das hatte der Herr Chef ziemlich klar gemacht, und ich war guten Willens. Schafe erschienen nur unwesentlich weniger problematisch, ueber Kamele, Wasserbueffel, Yaks muss man hier nicht nachdenken, also blieb nur die Kuh. Das Thema wurde von mir immer mal wieder strategisch klug auf den Tisch gebracht, bis eine Chefliche Genehmigung erfolgte. Dann machte ich mich auf die Suche, doch leider waren meine ersten beiden Quellen gerade nicht lieferfaehig. Ich aber ungeduldig. Als dritte Kuhquelle entdeckte ich den Hof der Lundgards, die mit ihrer deutschen Schwiegertochter zusammen farmen. Sie zuechten Canadienne Cattle, also eigentlich schlicht „kanadische Kuehe“. Die Canadiennes sind die einzige in Kanada entstandene Kuhrasse, in Quebec gebastelt aus Importen aus der Normandie, der Bretagne und der Gascogne. Das war Anfang des 17. Jahrhunderts. Gezuechtet mit dem Ziel einer milchbetonten Zwei- oder sogar Dreinutzungsrasse, die das kanadische Wetter verkraften kann und dabei relativ leichtfuttrig ist, kam die kleine Kuh Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Mode, so dass nur sehr wenige reinrassige Tiere uebrig blieben. Erhaltungsbemuehungen waren aber anscheinend erfolgreich, und die Canadienne erlebt zur Zeit eine kleine Renaissance bei den kleinen Kuhhaltern, die Milch mit hohem Butterfettgehalt wollen. Man nennt sie wohl auch die „schwarze Jerseykuh“.

Und so schaute ich mir die kleine Herde bei Lundgards neugierig an. Braun, schwarz und braunschwarz sind die typischen Farben, und weil der Hof biodynamisch orientiert ist, haben alle Kuehe Hoerner. Durchaus imponierend. Ich habe beim Melken zugeschaut, mir die besonders empfohlene Kuh Becca angesehen – aber es funkte nicht. Im Gegenteil, diese Becca war eine grosse schwarze Kuh, und egal wie nett sie mir beschrieben wurde – ich fand sie einschuechternd. Also nach Hause und weiter recherchiert und nachgedacht. Dann nochmal hingefahren. Den Rest der Herde angeschaut. Ein entzueckendes Kalb gesehen. Ja, sagte Lilli, das ist die Tochter von der Kuh, die ich dir zeigen wollte. Und so lernte ich Brontë kennen.