Bizarre Welt

Ein anderes Wort faellt mir gerade nicht ein fuer die letzten paar Tage. Der letzte Weihnachtsmarkt ist geschafft, ohne Probleme, im Gegenteil mit freundlichen Helfern und netten Gespraechen. Aber auch einigen Bizarrheiten. Manchmal gucke ich eher von aussen drauf und sehe mich in diesem Film, in dem dunkel gekleidete Hutterermaedchen eifrig in Avon-Katalogen blaettern, deren Produkte sie offiziell nie benutzen duerfen. In dem sehr runde aeltliche (wahrscheinlich 54) kleine Damen mit grauen Persianerloeckchen Polyacryl-Babykleidung haekeln in – na ja – babyrosa, babyblau, babygruen, babygelb, in dem es aber auch die schon mal erwaehnte tarnfarben-baumwollene Umhuellung fuer die Spueliflasche gibt. Professionell hergestellte Alpaca-Webdecken neben den allgegenwaertigen Haekel-„Afghans“, haeufig mit wellenfoermigem Muster versehenen Polyacryl-Decken, die hier anscheinend unabdingbar auf Sofas und Betten herumliegen. Ein Mann mit staerkstem osteuropaeischem Akzent, der ukrainische Wurst und Mohn- und Walnussstrudel verkauft (den ich natuerlich kaufe, weil superlecker und Heimwehmaterial) und der hinter seinen Tischen in einer kleinen Gideons-Bibel liest. Der aber von den anderen Baeckerdamen misstrauisch beaeugt wird, bringt er doch seine Waren aus der City of Edmonton. Gegenueber von den Hutterern eine junge Frau, die essentielle Oele fuer die Energiearbeit mit Menschen und Raeumen anbietet, darunter Monsterspray (Lavender und Kamille, anzuwenden gern in Kinderschlafzimmern, wenn dort mal wieder schwarze Wesen unterm Bett lauern 🙂 Eine beinamputierte froehliche junge Frau, die immer tiefdekolletiert rumlaeuft, zwei entzueckende Kinder hat, einen hoch interessanten Nachnamen, und die wunderschoene handgestrickte Cowls (solche Halswaermerteile) verkauft. Daneben die Petit-Point-Polyacryl-gestickten, haeuschenfoermigen Behaeltnisse fuer Kleenex-Schachteln. Barbie-Koepfe auf Draht-Perlen-Krinolinen-Konstruktionen, mit Fluegeln zudem. Die Lebenserinnerungen eines alten Trappers, von ihm selbst aufgeschrieben und als Buch veroeffentlicht, mit dem Trapper mit Pelzmuetze hinterm Tisch.

Ich sag es euch, man muss es sehen, um es zu glauben. Und das alles in unserem kleinen Valleyview! Und dazu Intrigen, Anfeindungen, Umarmungen, Dankeschoens fuer einen guten Markt von relativ fremden Menschen. Nach einigem an Vorbereitung in Form von Telefonaten, Emails, Papierkrams hatte der Markttag fuer mich um 5 Uhr begonnen, und um 20:08 waren wir mit Abbauen fertig, und vor mir lag nur noch das Einraeumen der Hinweisschilder von den Buergersteigen und dann die Heimfahrt durch den stetig fallenden Schnee, minus 20 Grad. Als ich aus der ueberheizten Halle trat, musste ich erst mal vorsichtig atmen. Aber frische Luft, wie wunderbar! Winter ist immer noch ok.

Zu Hause war es warm, und der Chef hatte nach kurzer Uebersicht ueber die Einnahmen schon eine Flasche Wein temperiert (und auch schon angebrochen, der ungeduldige Mensch.) Und die Heimfahrt hatte auch geklappt. Im Gegensatz zu der vom Vortag…

Ich war naemlich Ziegen ausliefern, drei Stueck, die erstmal der Tiefkuehltruhe entronnen sind, wie schoen! Sie werden die ohnehin schon grosse Herde (300 Stueck) der benachbarten Kaschmirziegenzuechterin mit ihren Milchqualitaeten bereichern. Dann schnell in die Stadt, Buecher abliefern, ein paar Dinge erledigen, und heimwaerts. Auf dem Highway nach Osten Gegenverkehr, festgefahrene Schneedecke, Schneegestoeber – und keine Last mehr auf den Hinterraedern, bei Antrieb eben dort. Um nicht zu weit auf die Gegenfahrbahn zu kommen, geriet ich wohl zu weit an den schneebedeckten Teerrand, der Bus zog kaum merklich erst, aber dann doch sehr bestaendig nach rechts, ich kriegte ihn nicht rumgezogen, und so rauschte ich einmal mehr in den Graben! Diesmal allerdings mit Ueberquerung einer Einfahrt und dem dazugehoerigen Aufprall auf deren Boeschung, und diesmal auch mit der Sorge, dass ich mich tatsaechlich seitlich ueberschlagen koennte, so bedrohlich schief hing ich voruebergehend. Hat aber alles prima geklappt. Bus gruendlich festgefahren, direkt gegenueber von dem Hof, wo ich schon mal wegen eines Platten liegengeblieben bin und dessen Bewohner ich fluechtig kenne. Der Chef war sowieso auf dem Heimweg, hat mich und die Wertsachen eingesammelt und den Bus haben wir erstmal seinem Schicksal ueberlassen. Was fuer ein Glueck, dass wir keine teuren Autos haben, davon aber einige. Gestern allerdings bat sich der Chef aus, dass ich den anderen Bus auf der Strasse lasse: „Wir haben ja nur so viele Autos!“

Jetzt sitze ich muede und mit so’ner Art Muskelkater im Bett und mag mich dem Tag noch nicht stellen. Immer noch kalt, immer noch Schnee, immer noch dunkel. Ich verstehe nicht, wieso die ganze Schlepperei (Wasser, Heu, Futtersaecke, Markttische, Honigeimer, widersetzliche Ziegen) mich, statt staerker, nur muskelkateriger macht. Gestern sagte eine Haendlerin: Sport gilt anscheinend nur, wenn man dafuer bezahlt, alles andere nuetzt nix. Wer weiss, vielleicht ist das so… Und dann wollten sie mir auch noch weismachen, dass man nur bis 30 fitter wird, danach unabdingbar schwaecher. Nein, nein, nein, das geht ja wohl gar nicht! Allerdings habe ich durch den Markt herausgefunden, dass in der relativen Nachbarschaft eine gepruefte Masseurin lebt, die sowohl zu Hause arbeitet als auch Hausbesuche macht. Der werde ich wohl meinen Nacken und meine Schultern mal anvertrauen, als kleines Weihnachtsgeschenk fuer mich selbst.

Und jetzt noch einen Tee, und dann Tuerchen Nr. 10 geoeffnet!