Die Gegend, in der wir hier sind, also etwa 50 km nordöstlich von Grande Prairie, ist in der Tat Prärie, durchsetzt mit teilweise noch größeren Waldstücken, durchzogen von einigen Flüssen. „Unser“ Gebiet liegt etwa 700 m über N.N., und die
Flusstäler sind recht tief eingeschnitten. Der erste und überwältigende Eindruck, wenn
man aus dem Stadtgebiet von Edmonton raus auf den Highway Richtung Nordwesten fährt, ist der von grenzenloser Weite und im Grunde Menschenleere. Auf der Strecke (ca. 450 km) kommt
man durch ca. 5-6 größere Ansiedlungen (mit jeweils, ich schätze mal, zwischen 1.500
und vielleicht 10.000 Einwohnern), dazwischen sieht man natürlich hin und wieder eine Farm oder Ranch am Highway-Rand, aber ansonsten, in unserem Fall zu dieser Jahreszeit: ein riesiges weißes Land. Strahlend blauer Himmel, zugefrorene Flussbänder, rauhbereifte
Waldstücke, auf den Feldern immer mal Kojoten, die Stoppeln auf den Feldern hellgelb, wie ein Pastellgemälde: das war mein Eindruck auf der Fahrt. Der Highway ist vierspurig, mit einem Verkehr, na, ich würde sagen wie bei uns Sonntags gegen Mittag. Also irgendwie sehr wenig. Viele große LKWs auf dem Weg nach Alaska bzw. nach Nordwest-Alberta (Alberta ist relativ reich aufgrund recht üppiger Öl- und Erdgasvorkommen).Wenn man dann vom Highway auf „unsere Straße“ abbiegt, hört der Teer auf, man rumpelt über eine Schotterstraße, bzw. jetzt natürlich eher so eine Eis-Schotter-Piste (ausgesprochen interessant mit Rolf am Steuer, der ein eher kühner Autofahrer ist und Yippieeh! schreit, wenn das Auto zu schlingern beginnt!). Auf den etwa 15 km vom Highway bis zum Haus sind irgendwie 5 Häuser an der Straße. Dazwischen Weiden (teilweise mit Bisons, die im Schnee morgens SEHR beeindruckend aussehen!)
Das Land ist ja in „Rechenkästchen“ aufgeteilt, d.h. es gibt Quadratmeilen (Sektionen, durchnummeriert nach einem kniffligen System), deren Grenzen grundsätzlich mit den Himmelsrichtungen verlaufen, ebenso wie die Straßen, wo immer dies möglich ist. Die Quadratmeilen-Kästchen sind wiederum aufgeteilt in so genannte „Quarter Sections“, also Viertel-Quadratmeilen (ca. 800x800m). Das ist in der Landwirtschaft so die kleinste Einheit (64 ha). Allerdings kann mit einer Quarter Section hier niemand was werden, und selbst vor 30 Jahren, als „unser Bauer“ drei kaufen wollte, gab’s für einen Viehbetrieb keinen Kredit, weil die Banken davon ausgingen, dass man das nicht gewinnbringend bewirtschaften kann. Es gibt hier in der Gegend z.B. wohl einen Betrieb mit 200 Quarter Sections.
Alle zwei Meilen verläuft eine Straße in west-östlicher Richtung, und jede Meile gibt’s eine von Süden nach Norden. Falls die Straßen (noch) nicht tatsächlich existieren, gibt es immer hin eine Road Allowance, d.h. einen für eine Straße freizuhaltenden Streifen Land zwischen den Sektionen. Hier scheint jeder einen angeborenen Kompass zu haben, und mein bisher schönstes Beispiel war, als Rolf einen Anhänger rangieren sollte und dafür Anweisungen von seinem Nachbarn bekam. Der rief doch tatsächlich: Ein Stück noch nach Norden, dann kannst Du nach Westen einschlagen. Man stelle sich das bitteschön einmal bei uns vor! Ich z.B. weiß nie wirklich, wohin ich gucke, und Rolf fragt mich zwischendurch nun schonmal übungshalber. (Inzwischen weiß ich übrigens, dass der VHS-Videorecorder am nördlichen Stecker angeschlossen wird!!!) Auch wenn man nach dem Weg fragt, bekommt man Himmelsrichtungen, dazu Entfernungen in Stunden – ziemlich gewöhnungsbedürftig. Oder in Stadt: Die Bibliothek ist südlich vom Supermarkt, und die Genossenschaft liegt drei Blocks nördlich vom XYZ-Platz. Bis jetzt (15.1.04) habe ich noch keinerlei Durchblick.
Wir wohnen auf dem südöstlichen Viertel der 26. Section (und dann geht’s noch weiter, hab ich vergessen). Das bedeutet vor allem, dass wir vom Haus etwa 800 Meter bis zur Straße und damit zum Briefkasten haben. Post kommt übrigens nur Montag, Mittwoch und Freitag. Hier also der Blick vom Hof zum Briefkasten (nach Osten!), dann direkt vom Briefkasten nach Osten, nach Norden, nach Süden und zurück nach Westen (zum Hof). Nini und Zoe dienen als Streichholzschachteln zum Größenvergleich.
Westlich vom Haus ist eine große Heuwiese, dort bieten sich (so etwa von Südsüdwesten nach Norden) folgende Blicke an einem kalten schönen Wintertag (irgendwo ist auch die Streichholzschachtel):
Das ganze wird natürlich begleitet von einer paradiesischen Stille – hin und wieder
hört man Meisen, Elstern und andere Vögel, die ich noch nicht identifizieren konnte,
außerdem hin und wieder Kolkraben, die klasse Töne machen!