Wie bereits erwähnt, gehe ich Donnerstags auf den Farmers Market nach Valleyview. Nach zwei sehr guten Verkaufstagen war der heutige Tag nicht ganz so erfolgreich, dafür aber (wie auch die vorigen) hochinteressant und auch amüsant. Neben den zwei Hutterer-Kolonien (die sich übrigens hier „Hutterite Brethren“ nennen), die natürlich zum Fahren und Schleppen Männer dabei haben, weil sie Unmengen Gemüse und Backwaren und zu dicken Klötzen gefrorene Hühner im Sechserpack verkaufen, sind die Marktbeschicker nämlich MarktbeschickerINNEN. Direkt neben mir stehen Virginia und Jean. Virginia verkauft Backwaren, Handgestricktes und Handgequiltetes. Jean verkauft Watkins-Gewürze. Virginia ist klein und zierlich, hat kurze graue Haare und in den letzten drei Wochen erfuhr ich, dass sie verwitwet ist, 73 Jahre alt, einen Saskatoon Orchard hat, die ganze Woche backt, um die Sachen für den Markt fertig zu kriegen, daneben aber – und das finde ich bewundernswert – auch noch Brandholz macht UND VERKAUFT. Das sei ihre Exercise, sprich ihre Leibesübung. Telefonieren tut sie nur, wenn sie dabei auch häkelt oder strickt, sonst findet sie es arg vertane Zeit. Wir haben gerade mal so überschlagen: Ich glaube, sie verkauft innerhalb von etwa 2 Stunden etwa 1 Dutzend Pies, bestimmt 40 Sechserpacks mit Zimtschnecken, Käsebrötchen oder anderen Brötchen, und bestimmt 20-30 Tüten Kekse aller Art. Alles im Hausfrauenherd in ihrem Mobile Home (einer Art Wohncontainer) hergestellt. Vier Söhne hat sie und jede Menge Enkelkinder.
Neben Jean steht eine alte Dame, deren Namen ich leider vergessen habe und die haarsträubende Häkel- und Stricksachen verkauft. Doch hier gilt: Dabeisein ist alles. Sie hatte mir gleich beim ersten Mal erzählt, dass sie zum Markt komme, weil sie sich sonst langweile. Verkaufen tue sie nicht viel (versteh ich gut!) Heute erfuhr ich, dass sie 13 Kinder hat und 89 (!!) ist.
Vorige Woche lernte ich Erna aus der Lüneburger Heide kennen, die in den 50er Jahren nach Kanada kam und nie wieder nach Deutschland konnte, weil „never no money“, nie kein Geld nich. Erna ist anscheinend geschieden, muss ja auch mal bestimmt Mitte siebzig sein, hat aber immer noch 80 Kühe, die sie irgendwie alleine managt. Erna sagte mir meinen neuen Lieblingsspruch: Eine gute Kuh deckt alle Armut zu. (Ziegen gelten auch, sagt sie!)
Und heute noch eine entzückende Geschichte von einer alten Dame (ich schätze auch mal, um die Mitte siebzig). Mariette heisst sie, lebt allein, obwohl sie eigentlich versorgt werden müsste, und hat zwei Kühe, die sie draußen anpflockt. Neulich rief sie aufgeregt bei Virginias Nachbar an: Da sei ein großer Vogel, der ihre Kühe total verrückt mache, sie wisse nicht, was das sei. Die Nachbarn rätselten, machten verschiedene Identifikationsvorschläge (Reiher, Adler, Truthahn), doch Mariette war sich sicher, es sei keiner der üblichen Vögel. Dieser hier sei riesig, und wenn er den Kopf nach unten beuge, sehe sie immer noch seinen Körper. Die Kühe seien völlig verschreckt. Also brausten die Nachbarn los, um die Lage zu prüfen und fanden – einen EMU! Kein Wunder, das sowohl Mariette als auch die Kühe verworren waren. Der Emu wurde dann cowboymäßig mit Hilfe eines weiteren Nachbarn, der das Lariat zu schwingen wusste, eingefangen.
Diese Frauen finde ich wirklich bewundernswert. Und ihr teilweise biblisches Alter gibt mir Hoffnung. Ich habe mir nämlich schon ausgerechnet, dass, wenn ich z.B. 80 Jahre alt würde und ab sofort jedes Jahr zwei Ziegen decken liesse mit im Schnitt 4 Jungen pro Jahr, ich dann doch nur maximal 120 Ziegen hätte. Ist doch gar nicht soviel, oder? Das würde einem die hässlichen Entscheidungen abnehmen…
Virginia übrigens erschiesst ihre allzu blöden Hunde natürlich selbst, sagt sie. Musste sie schon zweimal machen, waren einfach total unbrauchbar… Auch das unbotmäßige Schwein, dass ihr den Garten wiederholt umpflügte, brachte sie selbst um die Ecke und verwurstete es, weil ihre Kinder nicht schnell genug bei der Hand waren…
Ich ernte inzwischen wie doof aus dem Garten, plötzlich scheinen alle Kohlköpfe gleichzeitig fertig sein zu wollen. Ist vielleicht nicht dumm, denn die Kohlweißlingsraupen müssen, den Löchern nach zu urteilen, irgendwo schon heftig scharren. Ist nichts Besonderes, so ein Weißkohl, aber ich bin schon ganz schön stolz und froh, dass alles so prima wächst.
Und unser Honig wurde auf dem ersten Farmers Market häufig für Butter oder zumindest doch für Honeybutter gehalten. Man matscht hier gern was unter den Honig. Und jedes Mal fragten mich auch Kunden, wie denn der Löwenzahnhonig hergestellt werde. Sie sind irgendwie der irrigen Ansicht, dass wir da was mit tun, um den „löwenzahnig“ zu bekommen. Die wenigsten wissen, dass die Bienen dass halt so machen, wenn nur Löwenzahn da ist.
Soviel also für heute von der „Honey Lady“, wie man mich zu meinem großen Vernügen inzwischen auf dem Markt nennt.
honey lady is echt nett, und 120 ziegen finde ich nicht uebertrieben. aber wir koennten glaube ich mehr mit huehnern und so bei uns anfreunden.
gerade lese ich einen artikel im „western producer“, unserer landwirtschaftszeitung: ziegen sind zusammen mit hunden die am längsten domestizierten tiere, über 10.000 jahre, und somit gelten sie in diesem artikel als „man’s second-best friend“. jawoll! so sehen guste und ich das auch.
wahrscheinlich findet die guste, dass sie an einen gut domestizierten menschen geraten ist, so nett wie er sie krault 😀